Nachhaltige Produktion, Grüner Drehen, Green Shooting – Schlagworte wie diese tauchen immer häufiger auf einschlägigen Filmnews-Seiten auf. Auch in der Filmbranche tut sich also was in Bezug auf Nachhaltigkeit. Längst überfällig? Wahrscheinlich! Viel zu teuer? Nicht zwangsläufig! Viel zu ideologisch? Vielleicht, aber welche Option haben wir? Wir haben mit Prof. Boris Michalksi der Hochschule der Medien in Stuttgart zu dem Thema gesprochen, der Menschen aus der Filmbranchen zum „Green Consultant“ ausbildet. Boris Michalski realisierte als Filmproduzent zahlreiche nationale und internationale Filmproduktionen, seit 2012 lehrt er als Professor für Medien- und Produktionsmanagement an der Hochschule der Medien. Boris Michalski ist Mitglied der Deutschen und der Europäischen Filmakademie.
Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema Green Shooting?
Ich war vor meiner Professur an der Hochschule der Medien (HdM) viele Jahre als Filmproduzent tätig, da war Green Shooting oder nachhaltiges Produzieren kein wirkliches Thema. Im Jahr 2015 betreute ich eine Masterarbeit zu „Green Shooting beim ersten grünen SWR-Tatort“, ab da begann mein Einstieg in die Thematik Nachhaltigkeit bei Medienproduktionen.Die HdM und die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) bieten die Weiterbildung zum Green Consultant seit 2020 an. Wir haben aktuell, nach drei abgeschlossenen Kursen, mehr als 50 Teilnehmende begleiten dürfen.
Wie und wo haben Sie sich dazu fortgebildet?
Ich habe ein breites Portfolio von Tagungen, Seminaren und Vorträgen zum Thema Nachhaltigkeit in den letzten Jahren besucht, hierzu auch viele Studien und Papers gelesen.
Sind andere Länder hier schon weiter?
Ich denke, Deutschland ist auf einem guten Weg. Die aktuelle Einführung von verbindlichen ökologischen Mindeststandards und das neue Filmfördergesetz (FFG) ab 2022 mit Klimabilanzierung und nachhaltigen Produktionsauflagen ermutigen. In Europa würde ich aber UK mit dem Albert Consortium als führend einstufen.
Es gibt ja beim Naturschutz unterschiedliche Ansätze: Entweder, man verursacht erst gar keinen CO₂-Abdruck, oder man versucht diesen hinterher auszugleichen. Gibt es diesen Unterschied auch beim Drehen oder wird hier von vornherein die zweite Variante bevorzugt?
Auf jeden Fall dem Motto „reduce-reuse-recycle“ auf allen Prozessebenen und Produktionsschritten folgen, alle Workflows komplett neu denken und gestalten. Kompensation ist in vielen Bereichen Green Washing und sicher nicht der Weg, klimaneutral zu werden.
Ist es Ihrer Meinung nach okay, Klimaschutz auch im Film selbst zu thematisieren? Oder ist es auch legitim zu sagen: „Keep your politics out of my movie“?
Green Storytelling finde ich extrem spannend, damit wir auch nachhaltige Wertemodelle im Film vorleben und in den Stoffen/Filmthemen als Leitbilder einweben. Im Storytelling selbst kann man auch soziale Ebenen integrieren, Stichwort Diversity, Inklusion und Fairness. Gleichzeitig darf man da nicht zu dogmatisch werden und die Kunst als Kunst respektieren.
Ein Gegenargument ist häufig: Das kostet doch alles so viel! Stimmt das denn?
Nein, das muss nicht sein. Erstens sind die realen Kosten der CO₂-Emissionen auf uns als Gesellschaft externalisiert und noch nicht im Produkt mit allen Scopes voll erfasst. Dazu kann man aber Produktionsprozesse optimieren und neu gestalten und damit auch budgetär Freiräume schaffen, z. B. die Mobilität und Unterkünfte nachhaltig denken, statt Flug die Bahn oder Bus einplanen, statt Hotel nachhaltige Unterkünfte verwenden. In einem optimierten Energiemanagement durch die ganzen Projektphasen kann man auch Überkapazitäten bzw. Leerläufe analysieren und vermeiden. Green Producing soll auch Anreize bieten: wo können wir mit wenig Aufwand von Kosten oder Zeit einen hohen nachhaltigen Effekt erreichen?
Es gibt ja schon verschiedene Auszeichnungen für besonders nachhaltige Produktionen. Können Sie uns hier Tipps geben, wie man wirklich durchdachte Projekte von Greenwashing unterscheiden kann?
Es gibt einige Labels oder Logos mit dem Hinweis auf Nachhaltigkeit in der Produktion, wir brauchen hier einen bundesweiten einheitlichen und vertrauensvollen Standard mit zertifizierter Nachhaltigkeit in den Produktionen. Mit den ökologischen Mindeststandards und dem Label green motion sind wir da schon auf dem richtigen Weg, das muss nun aber auch konsequent geprüft werden.
Sollte es verpflichtend einen Green Consultant bei jeder Produktion geben?
Pflichten und Regeln sind ja immer nervig. Es sollte einfach selbstverständlich sein, dass im Team und im Unternehmen Green Consultants in allen Projektphasen nachhaltig beraten und die Umsetzung von Maßnahmen begleiten und validieren. Im Grunde ist das ein Transformationsprozess der Unternehmen nebst Produktionsweisen und Green Consultants sollten diesen Prozess mitgestalten. Im besten Sinn machen sie sich durch Wissenstransfer selbst irgendwann überflüssig. Aber wie gesagt, es gibt ja schon viele Sender, Förderer, Streamer wo Green Consultants verpflichtend sind.
Momentan ist der Titel Green Consultant eine Zusatzqualifikation. Wird ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch im Studium schon geweckt oder sind Studierende von heute ohnehin schon sehr umweltbewusst?
Auf der Branchenebene entsteht ein neues Berufsbild des Green Consultants. Es gibt nun den Bundesverband Green Film & Consultants (BVGCD.de), in dem die Aufgabengebiete und Kompetenzbereiche der Green Consultants für die Produktionen und in der Branche definiert werden.
Auf Hochschulebene bringen die Studierenden der HdM das Thema Nachhaltigkeit auf vielen Ebenen ein. Wir bieten in unserem Studiengang Audiovisuelle Medien Nachhaltigkeit & Green Producing in der Lehre an, aktuell führen wir z. B. mit der Filmakademie Ludwigsburg ein Tandemprojekt durch, in dem wir gemeinsam Projekte im Sinne der Nachhaltigkeit begleiten, Hotspots identifizieren und mit einem CO₂-Rechner die Emissionen der Produktionen messen und im Abschlussbericht Handlungsoptionen sowie Learnings fixieren.
Mal ganz klein angefangen: Welche Schritte kann man denn unternehmen, um möglichst grün zu drehen?
Es gibt viele Stellschrauben: Am Anfang vor allem die echten Hebel mit der größten Wirkung angehen, z. B. Energieflüsse analysieren und auf echten Ökostrom umsteigen, Reisen und Unterkünfte nachhaltiger gestalten, die Mobilität und Dreharbeiten insgesamt regionaler/lokaler umstellen, digitale Tools der Kollaboration und remote Workflows mit Green IT nutzen. Es gibt bei den Förderungen, bei den Film Comissions und bei vielen Verbänden hierzu viele Informationen und Handlungsleitfäden.
Welche prominente*n Fürsprecher*innen/ Projekte zeigen, wie es geht?
Ich glaube, man sollte das Thema nicht an Einzelpersonen anheften, sondern jeden von uns mit in die Verantwortung und Mitgestaltung dieser Transformation einladen und mitnehmen. Wir unterschätzen immer noch, was jeder Einzelne in der Summe aller bewirken kann.
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