Die Regisseurin Ina Weisse, geboren in Berlin, wurde zunächst als Schauspielerin bekannt. Mit Anfang 20 verlässt sie das Theater – zu wenig Selbstbestimmung als Schauspielerin. Sie studiert zunächst Philosophie, dann Regie und findet im Film schließlich ihre eigene Sprache. In „Zikaden“ erzählt sie eindringlich von Familie, Pflege und dem leisen Verlust von Kontrolle – ein stiller, präzise beobachtender Film über familiäre Verantwortung, weibliche Lebensrealitäten und innere Widerstände. Im Interview spricht die Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin über Selbstbestimmung, Generationenkonflikte und die Kunst, das Unausgesprochene spürbar zu machen.
Im Zentrum steht Isabell (Nina Hoss), eine Frau zwischen den Fronten: Sie kümmert sich um ihre alternden Eltern, ringt um eine bröckelnde Ehe und pendelt zwischen Berlin und dem zunehmend verfallenden Herkunftshaus. Inmitten dieser Überforderung begegnet sie Anja (Saskia Rosendahl), einer alleinerziehenden Mutter mit ganz eigenen Kämpfen. Zwischen beiden Frauen entsteht eine leise, fragile Verbindung – und mit ihr die Ahnung, dass Veränderung möglich ist, wenn man sie zulässt.
Ina Weisses Kurzfilm „Alles anders“ wurde 2002 mit dem First Steps Award ausgezeichnet. Ihr Langfilmdebüt „Der Architekt“ mit Josef Bierbichler in der Hauptrolle erhielt u. a. den Max-Ophüls-Preis für das beste Drehbuch. Auch „Das Vorspiel“, ihr zweiter Spielfilm mit Nina Hoss, fand international Beachtung. „Zikaden“ ist nun ihr dritter Kinospielfilm – erneut in Zusammenarbeit mit Casting Director Nina Haun (ICDA). Der Film startet am Donnerstag, den 19. Juni, im Kino.
Bereits in Ihren Filmen „Der Architekt“ und „Das Vorspiel“ haben Sie sich mit den Beziehungen innerhalb von Familien beschäftigt. In „Zikaden“ stehen nun zwei sehr unterschiedliche Familienkonstellationen im Zentrum. Was lässt Sie immer wieder zur Familie zurückkehren?
Familie interessiert mich als Struktur. Als Spiegelbild unserer Gesellschaft. Jeder kennt Familie. Und es hilft natürlich, über etwas zu erzählen, das einem vertraut ist.
Was sich durch alle drei Spielfilme von Ihnen zieht, ist dieses Unbehagen damit, der vorherigen Generation nicht gerecht werden zu können. In „Das Vorspiel“ ist Nina Hoss eine Lehrerin, die andere zu Höchstleistungen antreiben will, die sie selbst nicht erreicht, in „Zikaden“ ist sie wie ihr Vater Architektin, arbeitet aber als Maklerin…
Sie hat einen hohen Anspruch an sich selbst und schafft es nicht, sich selbst gerecht zu werden. Sie schiebt ihr Scheitern, nicht als Architektin arbeiten zu können, auf den plötzlichen Schlaganfall ihres übermächtigen Vaters, in dessen Büro sie arbeiten wollte. Ihre Minderwertigkeitsgefühle, ihre Hilflosigkeit, Selbsttäuschung und Angst machen sie verletzlich. Auch in der Ehe. Sie will die Kontrolle behalten, aber ihr gleitet alles immer mehr aus den Händen. Es ist die Beschreibung eines Zustands der Unsicherheit.
Wie kamen Sie auf die Idee ihren Mann Philippe mit dem französischen Schauspieler Vincent Macaigne zu besetzen?
Vincent Macaigne war mir in „Der Präsident und meine Kinder“ von Justine Triet aufgefallen, weil er mit großer Selbstverständlichkeit spielt; ich dachte sofort, dass sie ein interessantes Paar sein würden. Unterschiedlich, mit einer unterdrückten Spannung.
Sehen Sie die Beziehung zwischen den beiden Frauen Anja und Isabell eher als Freundschaft oder als Liebesgeschichte?
Ich würde das offenlassen. Beide treffen in einer schwierigen Phase ihres Lebens aufeinander. Sie ringen um Selbstbestimmung, sind einsam und stolz. Anja (Saskia Rosendahl) kämpft um ihre Existenz. Sie hat dabei etwas Undurchsichtiges. Man weiß nicht, wann sie die Wahrheit sagt. Sie behauptet, Isabell von ganz früher zu kennen, vielleicht hat sie sich das aber auch nur ausgedacht. Sie sagt zu Isabell „Du bist schön“, das hat Isabell
lange nicht mehr gehört, verwirrt sie aber auch.
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Bild aus: „Zikaden“ | Bild aus: „Zikaden“ |
Anja kämpft darum, ihr Kind zu versorgen, Isabell hat Probleme damit, ihre Eltern zu betreuen…
Sie sind so damit beschäftigt, sich um andere zu kümmern, dass sie sich selbst vergessen haben. Die Annäherung, wie sie sich gegenseitig beobachten, voreinander zurückweichen, verunsichert sind und dann wieder aufeinander zugehen, diese Zwischentöne interessieren mich.
Verblüffend ist, wie direkt und ungehemmt Anja und auch ihre Tochter sich in Isabells Privatsphäre bewegen, sie sofort in Besitz nehmen, essen, trinken, Treppenlift fahren, toben…
So direkt nähert sie sich auch Isabells Vater. Wenn sie ihm vorliest, fühlt Isabell sich plötzlich ausgeschlossen. Anja hat kein Problem, in andere Welten zu gehen. Und sie traut sich zu sagen, was sie will. Aber natürlich stellt sich in der Begegnung zwischen zwei so unterschiedlichen Frauen aus unterschiedlichen Milieus auch die Frage, was für eine Art von Beziehung zwischen ihnen überhaupt möglich ist. Nina und Saskia haben diese
ambivalenten Charaktere mit großem Einfühlungsvermögen gespielt.
Die Eltern von Nina Hoss haben Sie mit Ihren eigenen Eltern besetzt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Ich hatte mit meinem Vater schon in meinem Dokumentarfilm über die Neue Nationalgalerie zusammengearbeitet und es war gute Erfahrung. Er hatte Freude daran mitzumachen.
War es denn schwer, Ihre Eltern als Darsteller für dieses Projekt zu gewinnen?
Eigentlich nicht. Durch unsere gemeinsame Arbeit an dem Dokumentarfilm war es meinem Vater vertraut, sich vor der Kamera zu bewegen. Meine Mutter war erst etwas scheu und hat gezögert. Dann aber überwog ihr Interesse. Ich hatte sie in der Vergangenheit bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder gefilmt und wusste, dass sie vor der Kamera unbefangen sein konnte.
Wie hat sich diese Entscheidung auf Ihre Arbeitsweise ausgewirkt? Was war dieses Mal anders?
Grundsätzlich interessiert mich der schmale Grat zwischen Realität und Fiktion, zwischen nicht professioneller Darstellung und Schauspiel. Es entsteht ein freierer, unkontrollierbarer Raum, etwas Unverstelltes. In der Arbeit mit den Eltern und dem Kind hatten nur die Schauspielerinnen geschriebene Dialoge, das Kind und die Eltern haben dann darauf reagiert, so dass wiederum die Schauspielerinnen spontan darauf reagieren mussten. Manchmal wussten wir nicht, was im nächsten Moment passieren wird, das galt auch für Judith Kaufmann hinter der Kamera. Es war eine Suche, ein Herantasten, meist mit der Handkamera, um schneller, intuitiver reagieren zu können.
In Bezug auf die Eltern thematisiert der Film auch das Altern und die zunehmende Abhängigkeit der älteren Generation von ihren Kindern.
Mir ging es dabei vor allem um die psychischen Folgen. Mich haben das Ankämpfen gegen die Krankheit und der zunehmende Verlust von Unabhängigkeit interessiert. Im Grunde wird versucht, das Altern zu verdrängen, um das Leben wie gewohnt fortsetzen zu können.
https://dcmstories.com/movie/zikaden/
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Bild aus: „Zikaden“ | Saskia Rosendahl, Ina Weisse, Nina Hoss © Berlinale 2025 |
Castings: „Alles anders“ in eigener Regie | „Der Architekt“ Simone Bär | „Das Vorspiel“ Nina Haun (ICDA),
Kinder & Nachwuchsdarsteller: Patrick Dreikauss, France: Youna De Peretti (ICDA) | „Zikaden“ Nina Haun (ICDA), France: Youna De Peretti (ICDA) | „Der Präsident und meine Kinder“ tba
Dieses Interview und weitere Infos zu Cast und Crew findet Ihr im Presseheft der DCM Film Distribution zu „Zikaden“.
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