Madelaine Jakwerts Weg in die Film- und Fernsehbranche war ein klassischer. Angefangen als Praktikantin, übte sie nach und nach mehr und umfangreichere Positionen am Filmset aus, von der Setrunnerin über Kompars*innen-Betreuung bis hin zur Casting-Assistentin von An Dorthe Braker. Von dort aus ging es über Umwege zur Agentur Players, wo sie im Tagesgeschäft Schauspieler*innen sowie zuletzt auch Regisseur*innen und Autor*innen und deren Karriere betreute. Kein Wunder also, dass dieser vielseitige und spannende Lebenslauf letztendlich dazu geführt hat, dass Madelaine heute als „Casting und Talent Executive“ für den deutschsprachigen Raum bei Amazon Studios tätig ist. Wie es zu diesem Stellenangebot gekommen ist, wie sie dort ihre gesammelten Fähigkeiten unter Beweis stellen kann, und welche Aufgabenbereiche diese Stelle genau umfasst, erzählt sie uns im Interview. Außerdem geht es um Nachhaltigkeit in der Branche sowie die viel diskutierten Amazon-Diversitäts-Richtlinien und wie diese zu einer diverseren Film- und Fernsehlandschaft führen können.
Wie war Dein Weg in die Filmbranche?
Ganz klassisch über Praktika. Nach dem Abitur habe ich rausgefunden, dass ich eine entfernte Verwandte in der Filmbranche hatte, die ich angeschrieben und nach einem Praktikum gefragt habe. Ich habe mich dann konstant hochgearbeitet: Von einer Setrunnerin über Praktika in Produktionsbüros bis hin zur Kompars*innen-Betreuung. Dadurch habe ich wahnsinnig viel über die Abläufe am Filmset gelernt. Ich wusste schließlich nichts über das Filme- machen, als ich anfing.
Und wie bist Du zum Casting gekommen?
Bei Christine Rothe, Herstellungsleiterin und heutige Geschäftsführerin der Constantin Film, konnte ich damals ein Praktikum machen. In der Zeit fingen sie gerade an mit den Vorbereitungen für den Film „Der Untergang“. Mich hat man dann mit der Personenrecherche betraut, damit Casting Director An Dorthe Braker die Rollen entsprechend besetzen konnte. So habe ich An Dorthe kennengelernt und sie mit Fotos, Bewegtbild und Infos der realen Personen beliefert. Ich wechselte dann ins Kompars*innencasting und die Betreuung am Set von „Der Untergang“. Nach Drehende fragte sie mich, ob ich nicht ihre neue Assistentin werden möchte. Das habe ich dann fast drei Jahre gemacht.
Was ist Dir von Deiner Anfangszeit im Casting besonders im Gedächtnis geblieben?
Damals wurde noch mit VHS und DVD gearbeitet, und wir hatten ein großes Archiv mit Ordnern, in denen die Fotos und die Lebensläufe von so ziemlich jedem/jeder Schauspieler*in Deutschlands waren. Digitale Datenbanken befanden sich damals noch in der Anfangsphase. Wir haben also sehr viel mit Ordnern gearbeitet, auch für die Casting-Besprechungen mit den Regisseur*innen. Das hat dann dazu geführt, dass ich irgendwann so vertraut mit den Gesichtern der Schauspieler*innen war, dass ich, wenn ich sie auf der Straße gesehen habe, einfach gegrüßt habe, obwohl wir uns gar nicht kannten.
Digital oder manuell? Was ist Dir lieber?
Es hatte schon was, für sich die Ordner durchzugehen und sich darin zu vertiefen. Der Vorteil der Digitalisierung liegt natürlich auf der Hand, allein schon aus ökologischer und finanzieller Sicht. Letztendlich arbeite ich lieber digital.
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Bild aus: „Der Untergang“ | Bild aus: „Krabat“ |
Welche Projekte hast Du als Assistentin von An Dorthe Braker begleitet?
„Krabat“ von Marco Kreuzpaintner, die Serie „Blackout“ von Peter Keglevic und Hans-Günther Bücking, „Elementarteilchen“ von Oskar Roehler, „Vier Töchter“ von Rainer Kaufmann, etc. und natürlich die Filme von Dominik Graf, da An Dorthe und er schon immer miteinander gearbeitet haben,
Vom Casting ging es dann ins Agenturgeschäft zu Players?
Nach fast drei Jahren als Assistentin von An Dorthe war eigentlich unser Plan, dass ich mich selbständig mache und als Casting Director meine eigenen Projekte betreue, ihr aber auch bei den großen Projekten zuarbeite. Wir haben dann gemeinsam an dem Projekt „Der Baader Meinhof Komplex“ gearbeitet. Sie hat die Hauptrollen besetzt und ich die ganzen Nebenrollen. Uli Edel hatte dann irgendwann keine Zeit mehr, für die Besprechungen ständig von Berlin nach München zu reisen. Also bin ich nach Berlin und habe von dort aus weitergemacht. Nach Drehende bin ich nur nach München zurückgefahren, um meine Möbel aus München zu holen und bin nach Berlin gezogen.
Warum wurde dann nichts aus der Selbständigkeit?
Zu der Zeit fehlte es mir einfach an Geduld, mit fünf Redakteur*innen, denen es eigentlich egal war, was die Regie und die Casting Directors wollten, über Wochen über eine Rolle zu diskutieren. Man kann ja schließlich nicht immer so viel Glück haben und einen großen Kinofilm wie den „BMK“ zu besetzen. Es hatte letztendlich nicht den kreativen Fluss, den ich mir gewünscht hatte. Nach meiner Schwangerschaft war es erst mal Zeit für etwas Neues. Ich wollte eigentlich Psychologie studieren, aber über eine Nachbarin und Freundin bekam ich die Möglichkeit, ein Praktikum in einer Eventagentur zu machen. Da habe ich dann drei Jahre lang für Ministerien, Krankenkassen und Ähnliches gearbeitet und keinerlei Berührungspunkte mit der Branche gehabt. Das hat eine Weile Spaß gemacht, weil es was ganz anderes war. Letztendlich hat mir dann aber doch der Glitzer und der Glamour gefehlt. Ich habe zuerst für drei Monate in einer Agentur für Werbemodels gearbeitet und anschließend für drei Monate in einer PR- und Brandagentur. Darüber habe ich dann von der offenen Stelle bei Players gehört und mich beworben.
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Bild aus: „Blackout“ | Bild aus: „Elementarteilchen“ |
Was waren dort Deine Aufgaben?
Disposition, Koordination, Gagenverhandlung, Vertragsverhandlung, Drehbücher lesen, Projekte beurteilen und den/die Klient*in entsprechend beraten und noch so einiges mehr. Dabei arbeitet man immer sehr eng mit dem/der Klient*in und den Produktionen zusammen. Gerade den Jüngeren habe ich oft gesagt: „Probiert Euch aus, macht einen Kurzfilm oder einen Debütfilm oder spielt einfach mal eine Rolle, die ihr noch nicht gespielt habt. Das kann man natürlich viel entspannter machen, wenn man noch keine finanziellen oder familiären Verpflichtungen hat. Genauso wichtig fand ich aber auch Offenheit und Transparenz: Wenn mir ein*e Schauspieler*in gesagt hat, dass es jetzt erst mal um Geld geht, weil z.B. seit Längerem nichts mehr reingekommen ist, dann schaut man halt, dass man einen sogenannten Money-Job an Land gezogen bekommt oder sagt das Angebot eben doch zu, auch wenn man das Projekt unter normalen Umständen vielleicht abgesagt hätte.
Seit dem 1. September 2021 bist Du als „Casting und Talent Executive“ für den deutschsprachigen Raum bei Amazon Studios tätig. Wie kam das zustande?
Ich wurde angerufen und gefragt, ob ich mich dafür bewerben möchte. Ich habe das gesuchte Profil durchgelesen und gedacht: Wow, das ist ja genau mein Lebenslauf! Ich war zwar bei Players sehr glücklich und hatte überhaupt nicht daran gedacht, etwas anderes machen zu wollen, aber die Stelle klang so spannend, dass ich mich einfach bewerben musste. Es war auch Neugierde, ob ich es schaffen könnte. Drei Bewerbungsrunden später habe ich dann den Anruf bekommen, und mir wurde der Job angeboten.
Wie funktioniert das Konstrukt um Amazon?
Donna Rosenstein (Head of Casting Amazon Studios) ist dabei, ein weltweites Team an Casting Directors für Amazon Studios aufzubauen, um die internationale Arbeit zu erleichtern. Zurzeit bin ich noch die einzige „Casting und Talent Executive“ in Europa, aber es gibt fast in jedem europäischen Land ein Amazon-Studio. Somit arbeite ich auch sehr eng mit anderen europäischen Ländern und deren Amazon-Dependancen zusammen. Letztens wurde zum Beispiel für eine Amazon-Produktion aus Italien zwei deutsche Schauspieler*innen gesucht – diesen Prozess habe ich betreut. Gerade wird viel Content produziert, und wir wachsen stetig. Man kann sich das so vorstellen, dass Amazon-USA das Mutterschiff ist und drumherum werden die anderen Schiffe aufgebaut.
Was sind Deine Aufgaben?
Ich bin derzeit noch die einzige „Casting und Talent Executive“ in Europa, aber das Ziel ist, ähnliche Rollen auf der ganzen Welt bei Amazon Studios aufzubauen. In meiner Rolle bin ich von Anfang an sehr stark in den ganzen Castingprozess bei Amazon Originals eingebunden, auch wenn Produktion, Regie und das generelle Casting extern arbeiten. Das heißt dann im Besetzungsfall auch ganz konkret, dass wir die Besetzung von Kanditat*innen durch die Produktion begleiten, unterstützen und mitgestalten. Uns ist der gemeinsame kreative Prozess wichtig.
Castest Du lieber live oder per E-Casting?
Beides. Wenn es um Konstellationen und/oder die Chemie zwischen den Schauspieler*innen geht, sind Live-Castings meiner Meinung nach unumgänglich. Andererseits haben wir hier kein wirkliches Branchen-Zentrum. Wir haben vier Filmstädte: Berlin, Köln, München, Hamburg, und die Theaterlandschaft ist noch mal viel breiter gefächert. Heißt: Es wohnen nicht alle auf einem Fleck. Dadurch bieten E-Castings gerade in den Anfangsstadien der Besetzung die Möglichkeit, viel großzügiger zu gucken, da weder für die Künstler*innen noch die Produktion hohe Kosten verursacht werden. Durch digitale Live-Castings fallen weniger Schauspieler*innen aufgrund von Zeitmangel raus, da sie trotz Dreh z. B. in Prag am Casting teilnehmen können. Ein Vorteil, den die Pandemie gebracht hat.
Wie eng ist der Kontakt zu Donna Rosenstein, Head of Casting bei Amazon Studios in den USA?
Als lokale Casting Executive handle ich eng in Zusammenarbeit mit den lokalen Teams. Donna und ich haben dabei unsere Jour Fixes, um uns auf dem Laufenden zu halten und stimmen uns nach Bedarf ab.
Amazon Studios hat Diversity-Richtlinien erlassen, über die es Diskussionen in der Branche gab.
Worum geht es?
Wir sehen Diversität, Gleichstellung und Inklusion in unserer Branche als zentrale Pfeiler unserer Strategie. Wir leben in einer diversen Gesellschaft, und wir können nur relevante Geschichten erzählen, wenn wir die Vielfalt unserer Gesellschaft auch abbilden – und zwar sowohl vor als auch hinter der Kamera. Amazon Studios hat deshalb in den USA Richtlinien erlassen, wie Kreative mit uns zusammenarbeiten können, um die Vielfalt in der Film- und Fernsehindustrie zu verbessern. Wichtig ist, dabei zu betonen, dass diese Richtlinien nicht für den deutschen Markt gedacht sind, sondern allein für die USA. Es gibt natürlich Unterschiede zwischen den USA und Deutschland, die wir auch berücksichtigen. Dennoch denke ich, dass Richtlinien generell sehr sinnvoll sind und bei vielen Besetzenden zum Umdenken führen können. Zum Beispiel hilft es, schon im Drehbuchprozess anzufangen, darüber nachzudenken, wie wir unsere Geschichten erzählen wollen. Ich möchte auch noch mal hervorheben, dass die Richtlinien im Amazon Studios DEI Playbook keine unumstößlichen Vorgaben sind, sondern Vorschläge für eine Verbesserung der Situation. Der kreative Prozess sollte immer im Vordergrund stehen.
Wird es etwas Ähnliches für Europa geben?
Was ich dazu sagen kann ist, dass Miranda Wayans im Mai von der BBC zu Amazon Studios in Europa als Head of Europe DEI for Amazon Studios and Prime Video gestoßen ist und wir schon jetzt das Thema sehr stark mitdenken. Manche Caster*innen versuchen ja schon jahrelang, divers zu besetzen, aber es heißt oft vonseiten der TV-Redaktion, man müsse den Migrationshintergrund eines Menschen erklären. Das Phänomen kenne ich aus meiner eigenen Zeit als Casterin. Uns ist es wichtig, den Caster*innen zu signalisieren: Ihr dürft jetzt so arbeiten, wie ihr es schon immer wolltet. Ich bin mir sicher, dass wir dadurch dazu beitragen können, dass sich das System weiter in eine offenere, diverse Richtung entwickelt.
Können Schauspieler*innen sich direkt bei Dir bewerben?
Das würde keinen Sinn machen. Ich arbeite ja eng mit den Caster*innen der jeweiligen Produktion zusammen, Bewerbungen sollten auch dahin gehen.
Mit welchen Schauspieler*innen-Datenbanken arbeitest Du hierzulande?
Im Grunde immer mit der Datenbank, mit der der jeweilige Casting Director arbeitet, der für uns gerade die Projekte besetzt. Ich nutze dann oft zusätzlich noch Social Media, um einen anderen Blick auf die Schauspieler*innen zu bekommen, vor allem, wenn die Fotos nicht überzeugen und es z. B. noch kein oder ein sehr altes Band gibt.
Wie wichtig sind für Dich beim Castingprozess die Follower- und Klickzahlen auf Social Media?
Es ist ein Kriterium geworden. Aber am Ende entscheidet in der Regel immer noch die kreative Komponente. Es macht keinen Sinn, wenn die Person zwar große Reichweite mitbringt, aber in der Rolle nicht funktioniert. Davon hat niemand etwas.
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Castings: „Der Untergang“ An Dorthe Braker (BVC), Kinder & Jugendliche: Uwe Bünker (BVC | ICDN), Russia: Alla Petelina | „Krabat“ An Dorthe Braker (BVC) | „Blackout“ An Dorthe Braker (BVC), Kinder & Jugendliche: Jacqueline Rietz | „Elementarteilchen“ An Dorthe Braker (BVC), Kinder und Jugendliche: Uta Seibicke und Ann Kathrin Weld | „Vier Töchter“ An Dorthe Braker (BVC) | „Der Baader Meinhof Komplex“ An Dorthe Braker (BVC), Nebenrollen: Madelaine Jakwert
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