Finanzminister Lars Klingbeil (links) und Kulturstaatsminister Wolfram Weimer haben eine Lösung gefunden: Statt Steueranreiz gibt’s viel mehr Geld für die Filmförderung. Der BKM erklärt den Kurswechsel pragmatisch. Die Investitionsverpflichtung soll auch bald kommen; dann sei die Filmreform abgeschlossen. © BKM
Plötzlich kann alles ganz schnell gehen. Das Bundeskabinett hat den Haushalt fürs nächste Jahr verabschiedet. Rund 2,5 Milliarden Euro will die Bundesregierung für Kultur und Medien bereitstellen. Um rund 10 Prozent würde der Etat damit wachsen – der Gesamthaushalt, darauf weist Jörg Häntzschel in der „Süddeutschen Zeitung“ [Bezahlschranke] hin, steigt lediglich um 3,5 Prozent. Das sei ein „Rekordniveau“ und „steht für einen kultur- und medienpolitischen Aufbruch“, so der Beauftragte Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Wolfram Weimer. „So können wir kulturpolitische Vorhaben des Koalitionsvertrags zügig umsetzen“.
Jetzt müssen nur noch Bundestag und Bundesrat zustimmen, dann steht beinahe auch die zweite Säule der großen Förderreform! Sie sieht nur etwas anders aus. Ein großer Teil vom Zuwachs (117 Millionen Euro) ist für die Filmförderung vorgesehen. Die Mittel für die Deutschen Filmförderfonds und den German Motion Picture Fund werden fast verdoppelt auf 250 Millionen Euro. „Dies ermöglicht ein attraktives Anreizsystem, das deutschen und internationalen Produzentinnen und Produzenten langfristige Planungssicherheit bietet“, verspricht Weimer. „Dem Filmstandort Deutschland eröffnet das die Gelegenheit zum dringend nötigen Neustart auf international wettbewerbsfähigem Niveau.“ Zum Vergleich: Die französische Filmförderung CNC hatte 2022 ein Budget von 821 Millionen Euro.
„Das klingt nach viel, droht aber angesichts der prekären Situation, in dem sich die deutsche Filmindustrie befindet, wie Tropfen auf heißen Steinen zu verdunsten“, zweifelt Harry Nutt in der „Frankfurter Rundschau“. Die Branche hatte auf Steuererleichterungen gehofft. „Die jedoch hätten Einnahmeverluste bei den Bundesländern zur Folge gehabt, die deshalb gegen fiskalische Eingriffe opponierten. Die nun ausgewiesene Kompensation durch höhere Fördersummen betrachten Experten äußerst skeptisch, weil diese kaum nachhaltig seien.“
Unzufrieden ist auch Helmut Hartung in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ [Bezahlschranke], der ausgiebig die Probleme mit den Steueranreizen schildert, sich aber auf politische Ränkespiele konzentriert: „Auch ist klar, dass sich die Verhandlungen mit den Ländern mindestens bis nächstes Jahr hinziehen werden und frühstens ab 2027 ein steuerbasiertes Anreizmodell in Kraft treten könnte. Die Filmwirtschaft klagte beim Staatsminister, dass bis dahin eine Insolvenzwelle über technische Dienstleister und Produktionsfirmen hinwegrollen würde. Also einigte man sich kurzfristig mit dem Bundesfinanzministerium, in dem Björn Böhning, ehemaliger Geschäftsführer der Produktionsallianz, Staatssekretär ist, auf die pragmatische Füllhorn-Lösung, die die Bundesländer verschont und eine schnelle Hilfe verspricht. Doch dieser Kompromiss hat seinen Preis. Die Kabinettsvorlage sieht vor, dass 120 Millionen der 250 Millionen Euro gesperrt bleiben und der Freigabe durch den Bundesfinanzminister bedürfen. Damit wird ein Junktim zur Investitionsabgabe für Streamingplattformen geschaffen, wie sie die Produktionsallianz seit Langem in Höhe von 20 Prozent des Umsatzes in deutsche Produktionen fordert. […] Der Buhmann wäre bei einem Scheitern nicht der Finanzminister der SPD, Lars Klingbeil, sondern der von der CDU vorgeschlagene Kulturstaatsminister Weimer.“ Michael Hanfeld wiederholt in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ dasselbe mit ausgesuchterer Wortwahl: Der „Strippenzieher“ von der SPD mache das „filmreif“.
Der Kulturstaatsminister dagegen gibt sich unbeschwert. Die Streamer seien selbst „an einer dynamischen Entwicklung des Marktes interessiert. Zugleich haben sie darauf hingewiesen, dass mehr Investitionen am deutschen Standort eine attraktive und verlässliche Anreizförderung auf internationalem Niveau voraussetzen“ – und die gebe es nun, sagt Weimer im Interview mit Susanne von Kessel-Doelle bei „Blickpunkt Film“.
Den plötzlichen Kurswechsel bei der Anreizförderung erklärt er pragmatisch: „Es ist nun mal so, dass die Entscheidungen für Produktionsvorhaben in Deutschland in den kommenden Jahren jetzt getroffen werden. Deshalb müssen wir jetzt Planbarkeit und attraktive Investitionsanreize schaffen. Der Filmstandort Deutschland kann sich langwierige politische Ausverhandlungsprozesse rund um das Steueranreizmodell schlichtweg nicht leisten. […] Es ist einfach Tatsache, dass wir nicht hätten garantieren können, mit einem Steueranreizmodell in den nächsten zwei bis drei Jahren an den Start zu kommen – das wären weitere Jahre der Unsicherheit gewesen. Selbst wenn es geklappt hätte, hätten wir mit dem Steueranreizmodell wohl ein neues Bürokratiemonster geschaffen – mit doppelter Prüfung durch FFA und Finanzämter. Hätten wir dieses Vorhaben also weiterverfolgt, wären wir womöglich in einer Totalblockade der Filmreform gelandet.“
Die „Neuaufstellung des bestehenden Systems“ biete aber dieselben Vorteile, findet Weimer: „ein international konkurrenzfähiges Fördervolumen und eine überjährige Planbarkeit“. Denn bei 250 Millionen Euro solle es auch in den kommenden Jahren bleiben – „ideale Rahmenbedingungen für wirtschaftlich und kulturell erfolgreiche Blockbuster made in Germany.“ Die Branche jedenfalls sehe „diesem langersehnten Abschluss der Filmreform mit einer gespannten Aufbruchstimmung entgegen.“
Zum Teil. Denn vom Zuwachs profitiert fast nur die Produktion. Als „starkes Signal für den Filmstandort“ feiern die Produktionsverbände die Nachricht – vorausgesetzt, dass nun auch die Investitionsverpflichtung endlich kommt. Im Bündnis hatten Produktionsallianz, AG Dok, Deutsche Filmakademie und Prog wiederholt die „Förderreform Jetzt!“ gefordert (mit Steueranreiz freilich).
Auch der Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF) „begrüßt diesen Beschluss als zielführende Maßnahme“: „Für Produktionsstudios, Rental-Häuser, Postproduktionsfirmen und VFX- sowie Virtual Production Studios könnte dies das Ende der existenziellen Krise bedeuten.“
Der HDF Kino „begrüßt“ ebenfalls und sogar „ausdrücklich“, weist aber zugleich darauf hin, „dass auch die Auswertungsseite dringend gestärkt werden muss. […] Investitionen in Produktion entfalten ihre volle Wirkung jedoch erst, wenn auch der Weg zum Publikum konsequent mitgedacht wird – über den Verleih bis hin zum Kino. […] Damit der deutsche Film sein Publikum erreicht, braucht es Investitionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.“
Daran hat auch der Grünen-Abgeordnete Sven Lehmann erinnert beziehungsweise vor einem „Kinosterben“ gewarnt, melden „Frankfurter Rundschau“ und andere via Deutsche Presse-Agentur. Lehmann ist Vorsitzender des Kulturausschusses im Bundestag und fragte den Kulturstaatsminister nach der Unterstützung für die Kinos, die „mit einem Rückgang der Ticketverkäufe und der Umsätze“ kämpfen. Auch die Kinoförderung werde modernisiert und effizienter, so die Antwort, alles weitere bleibt noch unklar: „Es sei ,eine neue Referenzförderung mit kultureller Ausrichtung konzipiert worden’, erklärte Weimer. Ziel sei die Stärkung der Programmarbeit. Es gehe um einen Anreiz, verstärkt deutsche, europäische und kulturell anspruchsvolle Filme sichtbar zu machen. Welche Summen ab 2026 zur Verfügung stehen sollen, ließ Weimer offen.“
Hilfe bei Investitionen bot bislang das „Zukunftsprogramm Kino“: „Es war zuletzt mit zehn Millionen Euro ausgestattet. Weimer betonte, die Regierung plane, Kinos weiter aus dem Haushalt des Kulturstaatsministers zu fördern. Er legte sich aber nicht fest, ob das Zukunftsprogramm fortgesetzt werden könnte.“
Doch erstmal muss der Haushaltsplan durch Bundestag und Bundesrat. Und auch dann hat die versprochene Planbarkeit ihre Grenzen. Spätestens in drei Jahren wird ein neuer Bundestag gewählt, dann könnte wieder alles ganz anders werden – wie zurzeit in Österreich oder in Italien. Zweifel haben Susanne von Kessel-Doelle und Katharina Dockhorn bei „Blickpunkt Film“ aber auch so schon, ob „für die Filmbranche die Planbarkeit gegeben ist, da sie mehr denn je von den Bewilligungen des Bundesfinanzministeriums abhängt.“
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von „out takes Der Blog der Film- und Fernsehbranche“.
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